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Wahltagsimpressionen aus Lomé – Kodjoviakopé + Wahlergebnisse

Am Wahltag in Togo, Donnerstag, den 4. März, begab ich mich von meinem Appartement in Kodjoviakopé, in unmittelbarer Nähe der Deutschen Botschaft gelegen, um 7.45 zur Bibliothèque Nationale / Archives Nationales du Togo(ANT) in der Avenue Sarakawa. Die Regierung hatte die Schließung sämtlicher öffentlicher Institutionen (also auch des ANT) sowie der Gaststätten an diesem Tage angeordnet. Jedoch hatte ich mit Madame Julia verabredet, wie an jedem Werktag zum Frühstück zu kommen, am 4.3. als ihr Privatgast.

Die Straßen dorthin waren an diesem Tage praktisch vollkommen verkehrsfrei. Auf der neuen, zweispurigen Autobahn [Boulevard de la République] von der Grenze zu Ghana (am Wahltag geschlossen) sah ich kein Auto. Während ich sonst keine halbe Minute auf ein freies Motorrad/ Moped als Taxe warten muß, passierten heute stadteinwärts in 5 Minuten nur zwei besetzte „Motos“. Ich wollte mich mit dem ca 2,5 km langen „Spaziergang“ ins Stadtzentrum beginnen, als - rein zufällig - ein freies Moto aus einer Seitenstraße auf die Hauptstraße einbog. Als das Moto von der Rue Duisburg die ca. 1 km langen Av. Sarakawa erreichte, sah ich in dieser breiten Hauptstraße im administrativen Viertel von Lomé nur ein Auto und ca. 4 Motos. Vor einzelnen Gebäuden waren 2-Mann-Posten in den Uniformen der Gendarmerie/ Polizei stationiert (so auch auf der Straße vor dem Eingang zur Deutschen Botschaft). Aber auch diese Posten fielen nur beim näheren Hinsehen auf. Die an anderen Tagen durch Militärfahrzeuge und zahlreiche Soldaten präsente Armee fehlte an diesem Tag im Stadtzentrum.

Entsprechend der behördlichen Anweisung hatte Madame Julia das Restaurant verschlossen, ich aß meinen täglichen tiefen Teller Papaya auf ihrem Hof im Schatten des großen Mangobaumes. Auf den sich vor dem Restaurant (auf dem ehemaligen Geländes des Bahnhofes) kreuzenden Hauptverkehrsstraßen (u.a. nach Kpalime) zirkulierte zwar der Verkehr, aber vergleichsweise nur zu einem Zehntel. So musste ich auch hier einige Minuten auf ein freies Moto warten. Gegen 9 Uhr kehrte ich in mein Appartement zurück, um daheim zu arbeiten.

Gegen 11.30 Uhr lief ich zu Fuß die ca 500 m bis zum Wahllokal in einer Schule in Kodjoviakopé. Wie von einem Historiker auch nicht anders zu erwarten, muß ich an dieser Stelle Stadtgeschichtliches einfügen.

Das Gebiet des heutigen Stadtteils Kodjoviakopé umfasst ca, einen Quadratkilometer, begrenzt im Westen von der Staatsgrenze zu Ghana, im Süden von Strand bzw. der neuen Autobahn, im Osten vom „Boulevard 13 janvier“ (der deutschen „Ringstraße“) und im Norden von einem anderen ehemaligen Aflao-Dorf Nyekonakpoe.

Der Ausgangspunkt für die Siedlung Kodjoviakopé war der etwa ein Kilometer lange Sandstrand, an dem sich in vorkolonialer Zeit, also vor 1884, aus der Gold Coast Colony zugewanderter Hochseefischer – die noch heute dort mit ihren großen Zugnetzen ihre Schwerarbeit leisten – niedergelassen hatten. Damals gehörte dieser Strand zum Terrain des an der Lagune liegenden Dorfes Aflao (das nach Osten hin an die „Gemarkung“ des Dorfes Bè grenzte). Im Dez. 1879 schloß der britische District Commissioner mit den Chiefs des Dorfes Aflao einen Protektoratsvertrag ab und errichtete den Flaggenmast - wie seit Jahrhunderten bei europäischen Rechtsansprüchen an der westafrikanischen Küste üblich - dort im Zentrum, später auch im Zentrum von Aflao-Beach, des Export-Import-Platzes für den atlantischen Handel am Strand.

Der deutsche Reichskommissar Dr. Nachtigal ließ am 6. Juli durch seinen Begleiter, Dr. Buchner, den ersten Grenzpfahl neben den britischen Flaggenmast am Strand setzen. Er spaltete so nicht nur willkürlich das Ewe-Volk zum ersten Male auf, sondern vom Aflahu-Gebiet Kodjoviakopé ab. Aber mit dem Wechsel zur deutschen Kolonie erhielt das Fischerdorf eine neue Funktion. Denn 1877 hatte der aus der Goldküste stammende Händler Quassi Bruce am Strand von „Lomé“, auch „Bè Beach“ genannt, das erste Haus gebaut. Der neue Handelsplatz Lomé nahm auch infolge der britischen Grenzziehung einen rasanten Aufschwung. Dort schufen sich zugewanderte Afrikaner eine neue, städtisch-bürgerliche Gesellschaftsstruktur ohne einen afrikanischen „Häuptling“. Die in Lomé in der Nähe des „Grand Marché“ ansiedelnde Bevölkerung musste mit allen Lebensmitteln versorgt werden, auch mit Fischen, so dass die Fischer aus Kodjoviakopé in Lomé einen neuen Absatzmarkt fanden. Andererseits ließen sich Lohnarbeiter, die in Lomé angestellt waren, mit ihren Familien in Kodjoviakopé nieder. Mithin erweiterte sich seit 1884 Kodjoviakopé zum ersten Vorort von Lomé. Der Weg zwischen beiden Orten verlief nicht etwa am Strand sondern ca. 400 m im Landesinnern. Die heutige Rue Duisburg von der Av. Sarakawa bis zur Ghanagrenze ist der westliche Teil dieses alten Weges.

1897 verlegte die deutsche Verwaltung die Hauptstadt der Kolonie von Zébé bei Aného nach Lome. Sie kaufte das Gebiet zwischen der „Regierungsstraße“ (östlich des Hotel „Palm Beach“ gelegen) und der „Ringstraße“ („Boulevard 13 janvier“) als „Regierungsviertel“ und errichtete 1898 bis 1905 als neuen Endpunkt von Lomé nach Westen den „Gouverneurs-palast“, heute das älteste Gebäude von Lomé. Aber bei der Straßenplanung im Regierungs-viertel (heute Quartier administratif) mussten die deutschen Beamten den traditionellen Weg der Afrikaner zwischen Kodjoviakopé und Lomé berücksichtigen. 1905 ordnete Gouverneur Zech den Bau einer direkten Verbindungsstraße vom Gouverneurspalast quer durch Regierungsviertel zum neu gebauten Bahnhof an: die heute allgemein bekannte „Avenue Sarakawa“. Von dieser repräsentativen Straße ließen die deutschen Beamten den Weg nach Kodjoviakopé (bei der heutigen Direction de Douane) als die Nebenstraße abzweigen. Heute ist aus der Nebenstraße Rue die Rue Duisburg geworden, in die der Verkehr der Hauptstraße Av. Sarakawa einmündet.

 Als 1905 die deutsche Administration die Bezirke „Lome-Stadt“ und „Lome-Land“ von einander trennte, fügte sie das Gebiet Kodjoviakopé dem Stadtbezirk hinzu, hingegen die Dörfer Bè und Amutive dem Bezirk Lome-Land. Der deutsch-kolonialen Baugenehmigung für Lomé galten allerdings nicht für Kodjoviakopé. Folglich durften hier vor allen ärmere Afrikaner (die sich die teure Wellblechbedachung nicht leisten konnten) ihre traditionellen Lehmhütten Gras decken.

In der französische Kolonialära (1920 bis 1960) wurde das Gebiet von Kodjoviakopé bis zur Grenze der Gold Coast Colony /Ghana fast vollständig besiedelt und die Straßen in diesem Stadtteil schachbrettartig angeordnet:

12 Straßen von Ost nach West parallel zum Boulevard de la République oder zum Strand. Die sechste Straße, die Rue Duisburg, ist die wichtigste im Stadtviertel und als einzige asphaltiert (fast) bis zur Ghanagrenze; an ihr liegt die repräsentative katholische Kirche, das das markanteste Bauwerk in diesem Viertel.

16 Straßen verlaufen von Süd nach Nord, parallel zur Ghana-Grenze und zur Westseite des „Boulevard 13 janvier“. In dieser Straßenrichtung, gibt es nur eine ehemals dominierende, weil asphaltierte Straße entlang der Ghana-Grenze, im heutigen Stadtplan als „Rue Plimaboo“ verzeichnet, aber heute unbekannt (siehe unten) 

Auch im unabhängigen Togo war und ist das Stadtviertel Kodjoviakopé geprägt von der Mischsiedlung von vorwiegend von Wellblech gedeckten kleinen, aneinander gebauten „Häusern“, direkten Slumsiedlungen (mit Strom- und TV- anschluß) und wenigen repräsentativen Villen (ohne große Gärten).Letztere liegen vor allem an den beiden das Stadtviertel begrenzenden asphaltierten Straßen dem Boulevard 13 janvier im Osten und der Strandstraße im Süden.

Das Leben, die Arbeitsbedingungen und schließlich die politische Einstellung der Bevölkerung wird durch die Grenze zu Ghana bestimmt. Einerseits kommt ein täglicher Strom Ewe (vor allem Marktfrauen) aus Ghana, insonderheit aus Aflao, nach Lome. Andererseits besuchen Bewohner vom Kwadjoviakopé die Ghanaseite und dortige Verwandte, so dass der Anteil englischer Sprachkenntnisse unter ihnen in Lome am weitesten verbreitet ist. Die Menschen in Kwadjoviakopé beurteilen zurecht die togoischen Regierungen danach, welche Grenzverhältnisse sie ihnen aufgezwungenen, und zwar nicht nur mit der amtliche Grenzkontrolle sondern auch an der etwa einen Kilometer langen Westgrenze des Stadtbezirks Kodjoviakopé. Hier setzte bereits unter dem Eyadéma eine massive Abschottung in den 1980er Jahren ein. Die Bevölkerung empfand diese besonders als provokativ, weil die Regierung am Grenzübergang nach Ghana Soldaten aus Nordtogo einsetzte, die der Ewe-Bevölkerung offen ihre physische Macht zeigte.

Bis zu Beginn der 1990er Jahre waren die Verhältnisse an der einen Kilometer lange Grenze normal. Von der Hauptstraße am Strand (der neueste Stadtplan läßt die„Rue Plimaboo“, entgegen der Realität dort beginnen!) zweigte eine direkte, asphaltierte Straße entlang der Ghana-Grenze ca 2 km bis zur Lagune. Die Grenzkontrolle der Eyadéma-Regierung verlegte in den 1980 Jahren die Fahrverbindung in die„Rue Plimaboo“ in die nächste Querstraße  vor dem Kontrollgebäude was aber den Zufahrtsverkehr nicht behinderte. Die „Rue Plimaboo“ war trotz der Randlage eine sehr belebte Straße des Stadtteils Kodjoviakopé. On der Ostseite der Straße (mit freiem Blick nach Ghana) war mit einer geschlossene Reihe von Häuser bebaut, die teils auch von Europäern bewohnten waren. Auch als die Regierung Eyadema bis 1990 die Grenze vom Strand bis zur Lagune gegen das völlig unbebaute Gebiet in Ghana durch einen ca 4 m hohen Metallzaun für den Personenverkehr abschloß, verliefen das Leben und der Straßenverkehr hier völlig normal und unbehindert.

Als im Zuge der Demokratisierung 1990 /91 die Übergangsregierung KOFFIGOH im ehemaligen deutschen Gouverneurspalast ihren Amtssitz nahm, verschwand der 4 m hohe Metallzaun. Am 1. Tag nach meiner Ankunft in Togo 1991, am 1. November, suchte ich sofort die nicht mehr existierenden Grenzanlagen westlich von Kwadjoviakopé auf.

Niemand nahm Notiz von mir, als ich auf der freien Fläche einen Freudentanz über die gefallene Grenztrennung aufführte und später vorschlug, Togo und Ghana sollten im Grenzgebiet gemeinsam eine Straße vom Strand in Landesinnere bauen und gemeinsam nutzen. Der Vorschlag wäre auch heute noch eine ideale Lösung des Anschlusses an die Autobahn Aflao – Accra.

Die Realität eines autoritären Regimes erlebte ich am 28. 11.1991 mit meinen ersten Militärputsch in Togo: Die Armee „erstürmte“ mit militärisch unsinnigen Einsatz von Panzern den Gouverneurspalast und entmachtete die Übergangsregierung. Seither ist der Gouverneurspalast bis heute eine Tag und Nacht von 5 Soldaten bewachte Ruine. Togoer sehen darin eine Symbol. Die Bürger von Togo sollen wohl beständig daran erinnert werden, was aus diesem ersten Demokratisierungsversuch geworden ist.

Die von der Westseite auf den Gouverneurspalast in die Luft gefeuerten Mpi-Salven der angreifenden Soldaten, mussten ja irgendwo herunter fallen und sie fielen in den dahinter liegende Stadtteil Kwadjoviakopé. Ein Querschläger traf die Wand meines Nachbarhaus (ich hatte mich rechtzeitig ins Bett gelegt in dem Wissen, daß zwar die meisten Menschen im Bett sterben, aber die wenigsten dort erschossen werden).

Selbstverständlich schuf anschließend auch die Armee ihre Ordnung an der Ghana-Grenze: einem kleinen Zaun folgte ein etwas höherer, auf den die Armee wiederum Stacheldraht und Signalanlagen aufsetzt. Um weiteren Initiativen der Bevölkerung vorzubeugen, verbot die Staatsmacht nicht nur den öffentliche Verkehr auf der „Rue Plimaboo“, die Anwohner aus der gesamte Häuserzeile; die leer stehenden Ruinen, sind jetzt von bewaffneten Einheiten besetztest militärisches Sperrgebiet. Die einst so ansehnliche, belebte „Rue Plimaboo“ ist ein Schandfleck und wird, da in Sichtweite der modernen Autobahn, ihre Wirkung nicht verfehlen.

Muß denn das alles gesagt werden zum Verständnis von Wahlimpressionen in Kwadjoviakopé 2010? Ja, denn es lässt ein wenig verständlich werden, warum die Bevölkerung dieses Viertels kritisch zur Regierung gestanden hat und, verharrt die Regierung auf ihrer bisherigen Politik, auch weiter stehen wird.

 

Viele Straßen in Kodjoviakopé habe ich - teils vor 20 Jahren, teils in den letzten drei Jahren - allein oder mit Sybille durchwandert, denn es gibt beständig auch Neues zu sehen. Gebaut wird wohl in jeder Straße, wenn auch offenbar von vielen Eigentümern manches Mal in einem Tempo, wie das Geld für einen Sack Zement vorhanden ist. Da die Parzellierung der Grundstücke vorangeschritten ist, nimmt ein neu gebautes Haus manchmal fast das ganze Grundfläche des Grundstücks ein; es kann deshalb – wie im Zentrum von Lomé – nur in die Höhe gebaute werden bis zu fünf Stockwerken. Auch des Nachts sind wir, nach einem Essen in „Le Galion“ oder „Golden Beach“ (vormals „Maxim“) zu Fuß nach Hause gegangen – ohne die geringste Befürchtung, denn die professionelle Banditen konzentrieren sich auf die Nähe der Touristenhotels.

Als ich am 4. März gegen Mittag des Wahltages zum Stimmlokal in der Schule wanderte, waren die Straßen - wie an Sonntagen – ziemlich Menschenleer. Es fehlte jedoch der an Sonntagen unüberhörbare Gesang aus Kirchen und zahlreichen kleinen religiösen Gemeinschaften.

Die Schule „C.E.G. Kodjoviakopé“ (collège d’enseignement général) liegt in der „ Rue Homma“. Diese dritte Parallelstraße vom Boulevard 13 Janvier verbindet die Rue Duisburg mit dem Strand verbindet. Die Straße vor der Schule hingegen war im Vergleich zum sonstigen Alltag ungewöhnlich belebt. Sofort hatten dort vor dem Eingang zum Schulhof ein halbes Dutzend Marktfrauen ihre Sonnenschirme aufgestellt und boten Essen und Getränke an. Die Wähler kamen und gingen zu Fuß, manche mit Mototaxis. Einige Autos parkten. Militär bzw. Polizisten waren auf der Straße nicht zu sehen.

Diese Schule ist ein traditionelles Wahllokal dieses Stadtteils[Lomé-Commune 4], in dem wir (zusammen mit Sybille) 1994 die damals ersten Wahlen im Zuge der Demokratisierung erlebten.

[hier das Zitat aus meinem Kalendarium: „6.2. 1994 Wahlsonntag, mehr Ältere. 606 Stimmberechtigte in einer Schule in Kodjoviakope: blau: UTD (Kodjo) 105, rot: CAR 59. weiß RTP 39, gelb PST; ungültige 7. Insgesamt 218 ( CAR=Comité d’Action pour le Renouveau, UTD= Union Togolais pour la Démocratie, UJD=Union pour la Justice et le Développement) -Togo insgesamt von 81 Sitzen im ersten Wahlgang 57 RTP, 19 CAR, 3 UTD, 2 UJD) Togo insgesamt. 1.964.769 inscrit; 1.279.840 votants (65,1 %); 36.664 nul“].

Der ca 40 x 50 m große Schulhof ist nach der Straße hin durch eine massive Mauer abgetrennt. Die beiden Schulgebäude liegen zur linken Seite und als Quergebäude dem Eingang gegenüber. Rechts neben dem Eingang entdeckte ich, aber erst nach einigem Suchen unter einem Schattendach den offenbar diensthabenden Gendarmen, der mehr unbeteiligt dasaß: Alles nahm, offenbar ohne sein Zutun, seinen Gang und er war’s zufrieden.

Statt einem Wahllokal vor 18 Jahren, waren 5 Abstimmlokale in jeweils einem großen Klassenzimmer untergebracht, drei im linken Flügel, zwei im Quergebäude. Vor jedem Lokal stand eine lange Reihe von (gegen 12 Uhr) zwischen 10 und 20 Wählern. Auch hier keine Erregung der Menschen, und in der Tat war alles vorzüglich organisiert. An Hand der eingetragenen Wähler waren etwa 800 Wähler jedem Lokal zugeteilt worden. Große Tafeln mit gedruckten Listen der Namen und Registriernummer der Wähler und ihrem Miniphoto ermöglichtem jeden, sich schnell einen Überblick zu verschaffen, in welche Reihe er sich einzuordnen hatte, vor diesen Tafeln gab es bezeichnender Weise kein Gedränge.

Über dem Eingang zum Klassenzimmer gab es ein optisches Schema für den Wahlvorgang:

In der obersten Reihe wurde gezeigt, wie man den Abdruck des Fingers, nachdem dieser in nicht abwaschbare Tinte (wie vor 18 Jahren) getaucht worden war, in das freie Feld hinter dem Namen des Kandidaten abzudrucken war (welcher Finger zu benutzen war, war nicht vorgegeben). Darunter waren fünf Beispiel angeführt und durch großes Kreuz durchgestrichen, welche Fehler man zu vermeiden hatte. Am Abend sah ich bei dem einen Lokal, daß von 386 abgegeben Stimmen nur zehn ungültig waren.

Den Wahlvorgang organisierten Mitglieder der Nationalen Wahlkommission (ausgewiesen durch beschriftete T-shirts. Sie begleiteten mit Ruhe und Sachkenntnis und ohne Aufdringlichkeit den eintretenden Wähler. Verständlicherweise war mir als Fremden das Betreten des Wahllokals nicht gestattet. Aber das betraf auch alle Afrikaner, die nicht hier abstimmten und die das auch sofort respektierten. Es viel mir auf – im Gegensatz zu meinem Eindruck vor 18 Jahren – daß sich kaum ältere Personen unter den ca hundert Wählern, die ich ihm Hof sah, befanden. - Einige erkannten mich und schlossen aus meiner Anwesenheit, dass ich selbst wählen wollte; auch am Abend traf ich andere Bekannte. 

Die Wahllokale schlossen pünktlich um 18 Uhr. Jetzt übernahmen vor jedem Wahllokal zwei Gendarmen die Absperrung der offenen Tür. Auch sie handelten mit Ruhe und Besonnenheit und keineswegs provokativ, obwohl das Gedränge von 20 bis 50 Personen vor jedem Lokal erheblich war. Da die Außenwände der Klassenzimmer zur Durchlüftung mit handbreiten Schlitzen versehen sind, konnte man vom Hof her nicht nur durch die offene Tür sondern auch durch die Mauer zumindest Teilausschnitte sehen und vor allem die Stimme des Ansagers eines jeden Wahlscheines hören. In jedem Klassenraum hatten ca 15 Beobachter der Parteien Platz genommen. Wie üblich (schon vor 18 Jahren) wurden die Stimmzettel der Wahlurne entnommen, nachdem die Zahl der abgegebenen Stimmzettel und der Wahlberech-tigten bekannt gegeben und an der Wandtafel notiert worden waren. Jeder Stimmzettel wurde in der Runde den Wahlbeobachtern gezeigt, der Name des Gewählten genannt und auch an der Wandtafel hinter dem Namen des Kandidaten optisch notiert in Form eines Quadrates mit der fünften Stimme quer durchgestrichen:

Während im Wahllokal Ruhe herrschte, äußerten indessen die Zuhörer außerhalb lautstark ihre Emotionen, zumindest am Anfang. Doch stellte sich rasch, heraus, daß der Wunsch-kandidat der Mehrheit, Jean-Pierre FABRE (UFC), dreiviertel aller Stimmen und Präsident Faure (RTP) ein Viertel erhalten hatte und das beruhigte das Auditorium. In zwei der fünf Wahllokal lautete das Endergebnis UFC 282, RTP 87 sowie UFC 320, RTP 75 Allerdings wussten alle Beteiligten von den Wählern bis zu den Gendarmen (außer den je zwei, die fünf Eingänge kontrollierten, befanden sich noch zwei weitere Gendarmen auf dem Hof), dass dieses Ergebnis nicht typisch für ganz Togo sein würde. Deshalb nahmen alle die Ergebnisse mit Gelassenheit entgegen. 

Für mich überraschend, hatten alle anderen Kandidaten manchmal keine oder nur ganz wenige Stimmen (unter 10) erhalten. Diese Einmütigkeit für Fabre war nach dem optischen Wahlkampf in Kodjoviakopé keineswegs zu erwarten und ist wohl vor allem durch die Altersgruppe der Wähler zu erklären

Nicht überrascht hat mich die geringe Wahlbeteiligung von teils etwas unter 50 Prozent, teils etwas über 50 Prozent. Hatte ich mit älteren Personen in der Umgebung meiner Wohnung über die bevorstehende Wahlen zu sprechen versucht, so hatten sie mir geantwortet oder bedeutet, dass sie auf Grund ihres Alters und der Erfahrungen in der Vergangenheit den Wahlen keine Bedeutung beimessen. Warum sie sich allerdings in die Wahllisten hatten einschreiben lassen, kann ich nicht beantworten.

Mich interessierte vor allem die Reaktion der am Wahlabend auf dem Hof vorhandenen Wähler. Sie gehörten fast durchweg der Generation der 25-40 jährigen an und verfolgten mit Ernsthaftigkeit den korrekten Ablauf der Wahlprozedur. Viele gebrauchten ihre Mobil-telephone, um andere zu informieren oder sich informieren zu lassen, oder nutzten das Mobil zu photographischen Aufnahmen. Jugendliche, die an einem bloßen Spektakel interessiert (wie sie im Wahlkampf mit Trillerpfeifen und T-shirts ihres Kandidaten auf Motos durch die Straßen gerast waren) sind mir in der Menge auf dem Hof nicht aufgefallen. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit dieser Wähler zu Gewalttaten auffordert oder sich auffordern lässt.

Mich erinnert die Situation vielmehr an die Kommunalwahlen in der DDR im Frühjahr 1989, als Menschen der jüngeren Generation die öffentliche Kontrollmöglichkeiten wahrgenommen und damit die obrigkeitlichen Wahlfälschungen durch Feststellung der Tatsachen bloßgestellt hatten. Auch in Togo werden die jüngeren Wähler, die im ganzen Land Wahlkontrollen vorgenommen haben, nunmehr die amtlich veröffentlichten Wahlergebnisse mit den in öffentlicher Auszählung ermittelten vergleichen. Ungeachtet des Resultats der Präsidenten-wahlen (wobei die Propaganda bewusst den Name des Präsidenten, nicht der RTP hervorhob, ihn nur in Zivilkleidung auf Plakaten zeigte und seine Einsetzung 2005 durch einen Militärputsch verschwieg): Bei den nächsten Parlaments- und örtlichen Wahlen wird die korrekte Wahlprozedur von 2010 nicht mehr manipuliert werden können. Der nächste Repräsentant im Stadtteil Kodjoviakopé oder der Oberbürgermeister von Lomé wird kein RTP-Mann sein können.

Mit dieser so wichtigen „Langzeitwirkung“ auf die nächsten in zwei bis drei Jahre anstehenden Wahlen wird das Wahlergebnis in Kodjoviakopé oder in anderen Wahlbezirken nicht einfach ad acta gelegt werden können.

Nachtrag

Die Wahlergebnisse wurden am 9.3. in „Togo- Presse“, die gleichen Ergebnisse in der „unabhängigen“ Presse später veröffentlicht, so in „Nouvel Echo“ vom 12.3.

Von den 36 préfectures entfielen 5 auf Lomé-Commune. Die um 20-30 % geringere Wahlbeteiligung in Süden - das in Kodjoviakopé beobachtete Fernbleiben der Älteren - beeinflußte das Gesamtergebnis in Togo wesentlich

 In Wahllisten Wahl- FABRE, Jean Pierre GNASSINGBE, Faure

 Registrierte / Wähler beteilung Stimmen %  Stimmen % .

Lomé-Com. 1 26.866 14.101 52,94 % 10.819 79,02 % 2.436 17,79 %

Lomé-Com. 2 178.823  101.121 56,55 % 69.398 70,67 % 21.170  21,56 %

Lomé-Com. 3 113.196 66.411 58,67 % 53.286 82,32 % 7.940 12,27 %

Lomé-Com. 4 41.400 23.830 57,56 % 18.700 80,99 % 3.657 15,84 %

Lomé-Com. 5 146.306 88.706 60,63 % 45.663 52,93 % 37.441 43,40 %

Lomé insges* 506.591 294.169 197.866 72.644

Togo insges. 3.227.492 2.119.829 64,68 % 692.584 33,94 %  1.243.044 60,92 %

* in den Zeitungen nicht veröffentlich; deshalb von mir errechnet

Lome-Stadt ist am 29.10.1984 (Dekret Nr.84-186) in fünf Arrondissements aufgeteilt worden, und zwar entsprechend der historisch erfolgten Besiedlung seit 1877 (erstes Haus am Strand). Die Arrondissements sind jedoch nicht - wie in Paris - im Stadtbild von Lomé ausgeschildert worden und deshalb in der Bevölkerung im Allgemeinen unbekannt. Die Menschen kennen hingegen sehr gut die traditionellen Namen der Stadtteile Lomés.

Die Wahlbezirke Lomé-Commune 1-5 beziehen sich auf die (unbekannten) Arrondissements 1-5 [siehe Ankündigung in „Togo- Presse”, 23.02.2010] und nicht (wie auch in deutschen Städten üblich) auf die bekannten traditionellen Namen der Stadtteile. Eine Liste, welche Wohnviertel zu welcher Commune gehören, ist nicht veröffentlich worden.

Das 1. Arrondissement umfasst den alten Stadtkern, der in vorkolonialer Zeit (1877) seinen Ausgangs-punkt hatte und von kolonialdeutscher Stadtplanung geprägt worden ist. So ist das 1. Arrondissement begrenzt durch der heutigen „Boulevard 13 janvier“, der 1905 projektierte „Ringstraße“, vollendet in der französischen Kolonialzeit als „Boulevard Circulaire“. Ausgehend von dem Handelszentrum am Strand und des Grand Marché schlug die deutsche Stadtplanung einen Halbkreis im Radius von ca. 1,5 km Länge Die markantesten Merkmale dieses Viertel sind

1. die Amoutive-Straße (begonnen von Afrikanern seit 1877), sie führt vom Handelszentrum am Strand in nordöstlicher Richtung zum Dorf Amoutivé und mündet heute in die Staatsstraße Nr. 1;

2. die Kpalime-Straße (begonnen von Haussa-Fernhändlern seit 1880) vom Handelszentrum am Strand in nordwestliche Richtung;

3. die von der deutschen Administration seit 1890 geschaffene „Mittelstraße“ [heute Av. de la Libération] , in der Mitte zwischen den beiden vorgenannten Straße vom Strand direkt nach Norden führend und zwar über die Lagune hinaus;

4. das deutsche „Regierungsviertel“ (1897-1914) nimmt das gesamte westliche Drittel des 1. Arrondissements ein. Das heutige „Quartier administratif“ ist immer noch als Wohngebiet sehr dünn besiedelt.

Zwei weitere Arrondissements grenzen an das 1. Arrondissement

Das 4. Arrondissement liegt westlich und nördliche des Boulevards. Es umfasst die Stadtviertel Kodjoviakopé und Nyekonakoe, die wiederum im Westen an der Ghanagrenze enden. Die Nordgrenze des 4. Arr. bildet eine von Westen nach Osten gezogene ideale Linie in der Mitte der Lagune. Östlich an Nyekonakoe grenzen die Stadtteile Octaviano Netime [nach Octaviano Olympio, 1859-1941] und Hanukopé Die Ostgrenze von Hanukopé und damit des 4. Arrondissement bildet die [siehe 1. Arr.] der Boulevard de la Libération (vormals „Mittelstraße“). Das 4. Arrondissement ist wie das 1. Arrondissement vollkommen besiedelt und in seinen äußeren Grenzen feststehend.

Das 3. Arrondissement liegt östlich und nördlich des Boulevards. Es wird im Norden begrenzt durch die schon genannte ideale West-Ost-Linie in der Mitte der Lagune Hier liegt am südlichen Ufer der Lagune das älteste Dorf von Lomé: Bè [Versteck]. Nachdem bei Bè die [Volta-}Lagune aufhört, wird die nördliche Grenzlinie in gerader Strecke nach Osten weitergeführt. Das 3. Arrondissement reicht mithin bis zum östlichen Ende des eingemeindeten Baguida. Erst östlich der Stadtgrenze von Lome-Bagida beginnt mit dem Lac Togo ein neues Lagunensystem, das in den Mono mündet.

 

Zwei Arrondissements (Nr. 2 u. 5) liegen auf dem Plateau nördlich der gedachten Lagunen-linie. Sie werden voneinander durch die Staatsstraße Nr. 1 [Boulevard Gnassingbé Eyadéma] getrennt

Das 5. Arrondissement reicht westlich bis an die Ghanagrenze [1890 ! von der Kaiserlich deutschen und der britischen Regierung vereinbart]. Die Straße nach Kpalime [Av de la Victoire, Av. de R.T.P., Av.du 30 Août] ist die wichtigste und bestimmt die weitere Ausdehnung von Lomé. An der gesamten Nordgrenze des 5. Arr. wird neu gesiedelt.  Auch die Staatsstraße Nr. 1 wird nach Norden hin nicht mehr als Abgrenzung der Arrondissements 2 und 5 genommen werden können. Agoényivé dadurch in Süd-Nord-Richtung zu teilen wäre widersinnig.

Das Arrondissement 2. wird im Norden zwischen der Staatsstrasse Nr. 1 und der Av. Jean Paul II durch den Komplex der neuen Regierungssitzes „Lome 2“ bestimmt. Auch der Aeroport liegt im im Nordosten des Arrondissement 2 ab, aber östlich des Aeroport setzt sich die Siedlung nach Osten bis nach Bagida fortsetzt und Arr.2 grenzt direkt an Arr. 3, ja hier keine trennende Lagune vorhanden ist.

Logisch wäre eine Nummerierung der Arrondissements und damit der Lomé-Commune nach der geographischen Lage gewesen: 1, 2, 3 südlich der Lagune, 4 und 5. Bei der Schaffung der Arrondissements 1984 wurde aus politischen Gründen jedoch das neue Regierungsviertel „Lomé II“ als Arrondissement 2 genommen. Aber nicht in Lomé-Commune 2 erzielte der Präsident seinen höchsten prozentualen Anteil ab Wählerstimmen. 

Die Mehrheit der Bevölkerung würde es wohl begrüssen, wenn bei künftigen Wahlen für die fünf Arrondissements bzw. Lomé-Communes die Namen der zugeordneten traditionellen Stadtteile veröffentlicht werden