25.1.-2.2.2015

Reisebericht Togo (25. Januar – 4. Februar)

von Eckehard Mewes

 https://www.togotreffen.de/wp-content/uploads/2015/02/Reisebericht_Togo_1_2015.pdf

Meine diesjährige Reise nach Togo war eingebettet in einen gut viermonatigen Kamerunaufenthalt, in dessen Mittelpunkt der Bau und die Eröffnung unseren schönen kleinen Restaurants „mitten im Busch“ standen. Es lief, erwartungsgemäß, recht langsam an. Wir setzen auf die Qualität von Rose‘ Gerichten, die zu unschlagbaren Preisen erhältlich sind, und hoffen langfristig auf eine gute Mund-zu-Mund-Propaganda. Unser Luxus ist ja, dass wir es aus Spaß machen und nicht davon leben müssen.

Mit auf den Weg nahm ich die Frage (und die Sorge mancher Freunde), wie sich Ebola und Boko Haram aus größerer geografischer Nähe anfühlen. Boko Haram ist in Kamerun sehr spürbar, obwohl es für die Gebiete außerhalb des Nordens keine aktuelle Gefährdungslage gibt. Der Pastor des Seemannsheimes in Douala sagte mir, die einzige Ausnahme habe es um Weihnachten herum gegeben, als man mit Anschlägen in der Hauptstadt Yaoundé und in der Hafenmetropole Douala rechnete. Man habe Weihnachten in der Seemannsmission unter besonderen Sicherheitsbedingungen gefeiert. 

          Titel auf Seite 1 der Regierungszeitung

 

Es ist bemerkenswert, dass eine ganze Reihe von Entführungsfällen mit Geiselhaft in Nigeria in Kamerun gelöst wurden, natürlich mit Hilfe von einigen Geldkoffern, was der Anerkennung des kamerunischen Präsidenten keinen Abbruch tut. So war es auch bei dem Deutschen, der nach seiner Entführung in Nigeria sechs Monate isoliert ausschließlich von Reis und Bohnen lebte, die er sich auf Feuer von selbst gesammelten Holz zubereitete. Ich habe gehört, dass der ursprünglich sehr engagierte Mann danach „keine „Schwarzen mehr sehen konnte“ und vor seiner Ausreise nach Deutschland nicht in einem Hotel, sondern nur in der Botschaft unterzubringen war. Die Frage bleibt, ob die Mittelsmänner bei den Verhandlungen über in Nigeria entführte Geiseln nicht in Kamerun sitzen bzw. Kameruner sind. So weit – ungeschützt – meine privaten Eindrücke. Ich habe ja nicht mehr die Beobachtungsmöglichkeiten, über die in meiner Zeit in der Entwicklungszusammenarbeit verfügte.

Anders als in Kamerun, wo Ebola zwar auf Plakaten am Flughafen, in öffentlichen Betrieben und in Arztpraxen auftaucht, gibt es bei der Einreise nach Togo (zumindest auf dem Flughafen) eine systematische Abfrage nach der Flugnummer, dem Sitzplatz, Adresse und Telefonnummer in Togo für den Fall eines Falles. Vor allen anderen Kontrollen desinfiziert man sich die Hände. Man tritt auf eine kleine Plattform und in Sekundenschnelle erscheint die Körpertemperatur auf einer Anzeige. Für mich erschien das zumindest erfreulich systematisch. Wie es bei den Grenzübertritten auf dem Landweg aussieht, kann ich allerdings nicht sagen. 

              Das Werk von Heidelbergzement 

Vor unseren Ave-Togo-Projekten noch eine letzte kleine Bemerkung: einige der Adressaten dieses Rundbriefes haben sich ja an der von Wolfgang Welle initiierten Spendenaktion für die Operation von Koku NYALEDOME beteiligt, dem in Lomé tätigen Deutschlehrer, dessen seltene Rheumakrankheit ihn geh- und damit arbeitsunfähig gemacht hatte. Ich hatte das Glück, ihn und seine Freundin zu treffen und ein wenig kennen zu lernen.  Das war eine sehr erfreuliche Begegnung. Koku geht nach erfolgreicher Operation nun wieder zur Schule, weitgehend ohne Krücken, allerdings unter Einnahme von Schmerzmitteln. Was so viele Togoer auszeichnet: man spürt ihre Dankbarkeit. Er und seine Freundin machten sich nach meinem Anruf noch abends auf den langen Weg zu meinem Hotel und brachten als Geschenk ein togoisches  Kleidungsstück mit. Wir werden uns wohl nicht das letzte Mal gesehen haben.

Herzstück meines Besuches war natürlich der Schulbau in Tomefa, unserem Ave-Togo-„Kernprojekt“ 2014, von dem erst wenige Tage vor meiner Reise klar wurde, dass es während meines Aufenthaltes fertig werden würde. So konnten wir in letzter Minute eine offizielle Einweihung planen. Der deutsche Botschafter und seine Familie sowie der Präfekt waren dabei und konnten sich von der sachgerechten Fertigstellung überzeugen. An gleicher Stelle hatten wir im Vorjahr schon die zugehörigen Schultoiletten übergeben. Allein: es fehlen noch viele Schulbänke. Ein entsprechender Antrag von Atitso, der sich an den Kleinprojektfonds der deutschen Botschaft gerichtet hatte, war im letzten Jahr  abgelehnt worden.  Wir schlagen vor, die fehlenden Schulbänke in unseren BMZ-Antrag 2015 aufzunehmen. 

Die Einweihungsveranstaltung war aus meiner Sicht sehr gelungen. M. Atitso hatte alles klasse vorbereitet. Üblicherweise gibt es wegen der Übersetzungen der Reden von französisch nach éwé (oder umgekehrt) erhebliche Längen oder auch Langeweile. Dieses Mal war es überaus unterhaltsam. M. Folly, unser zweiter Berater neben M. Atitso, war in Topform und machte eine hervorragende Moderation in beiden Sprachen, u.a. auch, weil er das Dorf durch andere Arbeiten sehr gut kennt. 

Beim Abspielen der togoischen Hymne. 2 x Mewes, der Wahlkreisabgeordnete, Präfekt, Botschafter Volker Berresheimer, Chef des Kantons

    Ansprach mit neuem Pagne

 

 

                Die sprechenden Trommeln

Als einziger Minuspunkt  in diesem Zusammenhang ist zu erwähnen: die Zusammenarbeit mit dem neu eingesetzten Schulinspektor lässt zu wünschen übrig. Atiso, Folly und ich spürten das schon bei einem im Vorfeld der Einweihung. Er fühlte sich von seinem Vorgänger nicht richtig über den Schulbau in Tomefa informiert nicht protokollarisch korrekt zur Einweihung eingeladen. Beides ist jedoch nicht richtig. Dennoch boykottierte er offenbar die Einladung und schickte einen recht nachrangigen Vertreter. Auch die von seinem Vorgänger gegebene Zusage der Einstellung eines weiteren offiziell ausgebildeten Lehrers für Tomefa ist bisher  nicht eingehalten worden. Der Botschafter hat sie – auf meinen Hinweis hin – in seinem Redebeitrag erwähnt. Atitso, Folly und ich haben beschlossen, dass die beiden Berater zunächst versuchen werden, die Probleme „in stiller Diplomatie“ anzugehen. Immerhin haben wir unter den Angestellten der Inspektion zwei langjährige Bekannte, die uns äußerst wohlgesonnen sind. Wichtig für künftige Projekte ist auf jeden Fall eine problemlose Zusammenarbeit. 

Schülerclub beim Vorspielen eines Sketches

  • Zum Einem flossen unsere Geldzahlungen so spät, dass die Clubs erst nach dem neuen Schuljahr 2014/15 eingerichtet werden konnten
  • Weitere Verzögerungen ergaben sich dadurch, dass auch an dieser Stelle die betroffene Schulinspektion Mickies machte und mit der offiziellen Genehmigung zögerte, obwohl seit Ende 2013 eine mündliche Zusage (in meinem Beisein) vorlag

So ging es erst im Dezember 2014 los und wir müssen auf die Ergebnisse noch warten. Die Berater wollen die Schülerclubs aber in diesem Jahr auf die unseren restlichen Partnerschulen erweitern und ein Treffen aller Schülerclubs organisieren (u.a. auch mit einem Wettbewerb und Preisen). Ich finde das eine gute Idee und werde es Ave Togo zur Finanzierung 2015 vorschlagen. 

                 Niébé Ernte

                           Klassenraum in Yoto

           Yoto: Versammlung mit Eltern, Lehrern, Schülern

kennen uns aber seit Jahren bestens (Latrine 2011, Schulbau 2012), so dass wir die Vorbereitung dieses Projektes problemlos unserem Atitso überlassen können. Beim Besuch der Sekundarschule in Yoto hatte ich einen guten Eindruck von Lehrern, Elternverein und Dorfentwicklungskomitee. Auch die Schüler waren trotz eines Lehrerstreiks an diesem Tag zur Schule gekommen. Ein Mädchen berichtete auf Nachfrage nach dem Sinn und Zweck von Toiletten, dass es sich auf dem Feld in der Umgebung der Schule einmal hingehockt und dann eine Schlange neben sich gesehen habe. Nachdem großen Schrecken wurde diese danach – rollengemäß – von den Jungen erschlagen. An diesen Aspekt hatte ich bei der Finanzierung von Schultoiletten noch nie gedacht. 

 

 

 

Zum Abschluss noch ein Blick auf die allgemeine Lage in Togo. 

Was wir mit eigenen Augen sehen konnten: es gibt eine breitere Mittelschicht als früher. Man sieht das an einer wachsenden Zahl großer Vierrad-Fahrzeuge, vollen Einkaufswagen in den Supermärkten und einer erklecklichen Anzahl solventer Kunden in den besseren Restaurants. Auf der anderen Seite kann sich die breite Masse benachteiligter Menschen immer weniger leisten. Wenn der Bierpreis ein Indikator ist: eine Flasche Bier kostet im Laden mehr als im wohlhabenderen Kamerun, etwa einen Euro. Die Lohntabelle für Angestellte und Beamte wurde seit 1992 nicht mehr geändert. Das wurde von der Regierung aber seit Langem versprochen. Die Lehrer klagen über monatelange Gehaltsrückstände. Eine größere Anzahl von freiwilligen Lehrern sollte nach den entsprechenden Prüfungen in den Schuldienst übernommen werden. Auch das ist nicht geschehen. So traten in den Tagen meines Aufenthaltes Beamte in einen Warnstreik, der jederzeit wieder aufgenommen werden kann. Dennoch vermittelt sich dem Besucher kein Zeichen von wirklicher Dramatik. 

Togo steht vor Präsidentschaftswahlen, die angeblich im März stattfinden sollen. Es ist der amtierende Präsident selber, der den Termin einen Monat vor dem Wahltag öffentlich bekannt geben wird, was ihm natürlich jedweden strategischen Vorteil sichert. Man rechnet mit dem Monat März. Die amtlichen Vorbereitungen laufen bereits (auch die Manipulationen, wie meine Freunde vergewissern). Faure Gnassingbhe, der Sohn des ewigen Eyadema, strebt bereits seine dritte Amtszeit an, was die Verfassung nach einer Änderung in den 90ern zulässt. Nun herrscht seit dem Sturz von Campaoré in Burkina Faso ein leicht anderer Wind, der nach Togo hinüber wehen könnte. Doch kaum einer meiner Gesprächspartner glaubt, dass es zu größeren Unruhen kommt. Die beiden letzten Wahlen verliefen ruhig. Die Opposition ist weiterhin gründlich zersplittert. Ihr wird ein Sieg nicht zugetraut. Und so bleibt uns nichts Anderes als abzuwarten, wann vielleicht doch irgendwo mal ein Hoffnungsfunke zündet und es zu einer friedlichen Änderung kommt. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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